in Frankreich wie auch international, an einem Wendepunkt. Seit ihrer Entstehung Ende des 19. Jahrhunderts in den USA bewegt sie sich zwischen zwei Polen: der Suche nach wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Anerkennung einerseits und der Gefahr, dabei ihre ursprüngliche Eigenart zu verlieren, andererseits. Diese Eigenart besteht darin, eine systemische manuelle Medizin zu sein, die den Körper nicht als Objekt betrachtet, sondern als lebendiges Subjekt.
Lange Zeit prägten alte Vorurteile und reduktionistische Modelle das Bild des Organismus. Er galt als rein mechanisches Gebilde, das sich in Einzelteile zerlegen und technisch reparieren lässt. Doch das Ziel der Osteopathie war immer, das Verständnis zu bewahren, dass der Mensch ein intelligentes Wesen ist – mit Fähigkeiten zur Kommunikation, Selbstorganisation und Regulation.
Aktuelle Forschungsergebnisse bestätigen diesen Ansatz. Besonders die Entwicklungsbioelektrizität zeigt, dass Zellen in somatischen Netzwerken Informationen speichern, verarbeiten und gezielt nutzen können. Diese Prozesse steuern Strukturaufbau, Anpassung und Regeneration. Damit erweitert sich das osteopathische Denken über die Neurophysiologie hinaus. Es rückt näher an die ursprüngliche Intuition von A.T. Still: Biologie ist mehr als Chemie, sie ist Ausdruck lebendiger Intelligenz.
Ein Bereich blieb dabei bisher im Schatten: der Knochen. In der Osteopathie wie auch in der Medizin wird er meist auf seine Rolle als stützendes Skelett reduziert. Doch moderne Forschung belegt, dass Knochen viel mehr sind. Sie haben endokrine, immunologische, erythropoetische und bioelektrische Funktionen. Sie beteiligen sich an sensorischen Prozessen und verfügen über Gedächtnisleistungen. Damit werden sie zu aktiven Partnern in der körperlichen Kommunikation und Regulation. Wer diese Dimension ernst nimmt, eröffnet neue Zugänge, Gesundheit zu verstehen und therapeutisch zu fördern.
Genau an diesem Punkt setzt das BONE-Projekt an. Sein Ziel ist es, die Intelligenz des Knochens und des Körpers in ihrer Tiefe zu erforschen. Es bringt Osteopathen unterschiedlicher Generationen und Länder zusammen, um Grundlagenforschung zu betreiben, Wissen zu vernetzen und gemeinsam ein neues Referenzmodell für die Osteopathie zu entwickeln.
Die Arbeit ist auf drei Jahre angelegt. Sie organisiert sich in synchronen und asynchronen Videokonferenzen, die in mindestens acht Kolloquien zusammenlaufen. Den Höhepunkt bildet ein internationaler Kongress im Jahr 2028 in Beaune, Burgund. Die Struktur des Projekts ruht auf drei Säulen: einem wissenschaftlichen Ausschuss, einem Lenkungsausschuss sowie einer Arbeitsgruppe erfahrener Osteopathen, die Literaturrecherche, Synthesen und Kommunikation koordinieren.
Methodisch folgt das Projekt dem Leitgedanken von A.T. Still – „Dig On“. Es verbindet systematische Forschung mit lebendigem Austausch. Jedes Kolloquium setzt neue Fragen frei, die in die nächste Etappe hineinwirken. So entsteht ein dynamisches Forschungsnetzwerk, das in der Lage ist, Innovationen aufzunehmen, zu reflektieren und in ein gemeinsames Konsensmodell der Osteopathie zu überführen.